Valentina Manojlov ist immer mit Herz und Seele bei der Sache. Mit ihrem Projekt Urbaner Kunstraum Wuppertal (UKW) hat sie den öffentlichen Raum in Wuppertal verändert. Es war nicht das erste und wohl auch nicht das letzte Mal.
Eine graue Wollstrickmütze, ein silberner Piercing-Ring im linken Nasenflügel, zerschlissene Jeans. Valentina Manojlov wirkt jünger als sie ist. Das liegt aber nicht nur an ihrer äußeren Erscheinung. Sondern auch an der frischen Art und Weise, mit der sie den Menschen ihre Ideen schmackhaft macht. Wenn die 58-Jährige über ihr Projekt Urbaner Kunstraum Wuppertal (UKW) spricht, dann sprudelt es nur so aus ihr heraus. Vielleicht muss man sich selbst derart für etwas begeistern, um sich so kompromisslos einzubringen, wie Manojlov es in den letzten paar Jahren getan hat. Allein die Idee, ein Streetart-Museum im öffentlichen Raum umzusetzen, ist für eine Stadt, die sich leidenschaftlich über goldene Bänke und andere Veränderungen aufregen kann, ein mutiges Unterfangen. Dennoch: „Man muss groß denken!“, sagt sie. „Wuppertal fehlt es an echtem Mut!“
Zehn Jahre
Manojlovs mutige Vision, das sind 24 gigantische Wandgemälde, sogenannte Murals, die überall in den verschiedenen Stadtteilen an Häuserwänden entstehen sollen. Dafür hat sie knapp 1 Millionen Euro eingeworben – rund 640.00 Euro vom NRW-Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, den Rest von lokalen Unterstützern. Vergleichbare Projekte gab es auch schon in anderen deutschen Großstädten wie Berlin, Hamburg oder Köln. Streetart ist mittlerweile eine der größten Kunstbewegungen weltweit. Deshalb hat sich die UKW-Initiatorin auf die Reise gemacht und in ganz Europa umgesehen, ist auf zahlreichen Streetart-Festivals gewesen. Und jedes Mal, wenn sie von ihren Reisen zurückkam, hat sie sich die Frage gestellt: Warum haben wir in Wuppertal so etwas nicht? Damit war die Idee einer stadtweiten Streetart-Galerie geboren.
„Wir reden hier von Kunst und nicht von Auftragsarbeiten oder Fassadendekorationen.“
Valentina Manojlov
Neun der geplanten Murals wurden 2023 fertiggestellt – und das Ergebnis zigfach in den sozialen Medien geteilt. Aus PR-Sicht ein absoluter Selbstläufer, freut sich Manojlov. Die Werke werden auch über die Grenzen des Bergischen Landes hinaus geteilt. Das liegt daran, dass es sich bei den ausführenden Künstlern ausschließlich um internationale Größen der Streetart-Szene handelt. Große und großformatige Kunst.
Die Grundidee für ihr Projekt sei bereits vor etwa zehn Jahren entstanden, habe sich dann aber mehrfach verzögert. Zuletzt durch die Coronakrise. Gestartet ist sie anfangs als Einzelkämpferin, für die Durchführung hat sie im Juni 2020 den gemeinnützigen Verein WupperOne929 UrbanArt e. V. gegründet, mit sieben Mitstreitern an ihrer Seite. Und das Team wächst weiter. „Für mich stand von Anfang an fest, ich mache es fett oder ich mache es gar nicht“, sagt Manojlov und man kann die Euphorie dabei in ihrer Stimme hören. Die nötige Vorbereitungszeit von knapp vier Jahren hat sie aus ihrer privaten Tasche finanziert, denn ein Projekt in dieser Größenordnung ist ein Full-Time-Job.
Natürlich gehörte dazu auch eine Menge „Klinken putzen“, wie man so schön sagt. „Ich habe einfach jeden vollgequatscht, den ich kriegen konnte“, erinnert sich die Initiatorin. Dazu gehörten auch die Klinken der Hauseigentümer, deren Gebäude für das Projekt infrage kamen. „Ich habe einfach geklingelt und gesagt: Ich will die Wand“, sagt Valentina Manojlov und lacht. Umso erstaunlicher sind die vielen Zusagen, weil sie keinerlei Entwürfe vorweisen konnte. „Wir reden hier von Kunst und nicht von Auftragsarbeiten oder Fassadendekorationen“, so Manojlov. Die Motive für die Murals waren freie Interpretationen der Künstlerinnen und Künstler zu lokalen Themen, die in verschiedenen Workshops mit Gruppen aus dem jeweiligen Quartier erarbeitet wurden. „Vorzugsweise mit Leuten, die im künstlerischen Umfeld nur selten vorkommen, wie zum Beispiel die Wuppertaler Tafel oder der Verein zur Förderung von Gehörlosen.“
Begegnung an der Wand
So viel Enthusiasmus für die eigene Stadt? Für die Kunst? „Ja auch“, sagt Manojlov, „aber viel mehr ist mein Ziel, allen Menschen gleichermaßen die Auseinandersetzung mit Kunst zu ermöglichen. Und ich will Begegnungen schaffen und Menschen in aller Vielfalt ins Gespräch über Kunst bringen. Kunst für alle zu jedem Zeitpunkt Alltags“. Alltags.“ Das habe sie während der Entstehung einiger Werke selbst erleben dürfen. Für die Ausführung an der Wand brauchen die Künstler in der Regel zwischen zehn und vierzehn Tagen. Viel Zeit also, um ins Gespräch zu kommen. „Die Menschen reagieren auf die Kunst, haben eine Meinung und tauschen sich dazu aus.“ Manche kommen auch mit den Artists selbst in Kontakt. „Eine ältere Dame hat den international bekannten Künstler Case Maclaim angesprochen und meinte: Jetzt wirste bestimmt berühmt! Wir hatten viel Spaß.“ Es sind gerade die Nicht-Kunstinteressierten, um die es Valentina Manojlov letztlich geht. Urbane Kunst als öffentliches Gut. Genau das leisten die haushohen Gemälde, die wohl noch für viele Jahre das Stadtbild in den einzelnen Quartieren prägen und für Gesprächsstoff sorgen werden.
Mit ihrem Projekt hat Valentina Manojlov nicht nur das Gesicht der Stadt für die Menschen hier vor Ort verändert, sondern auch die Außenwirkung. Sie hat Wuppertal buchstäblich „auf die Kunstkarte gepackt“. Und das UKW-Projekt ist nicht die erste Aktion der Wuppertalerin. 2014 hat sie das Projekt Inside Out des französischen Künstlers und Fotografen JR nach Wuppertal geholt und den Weinkontor in Elberfeld mit übergroßen Porträts gestaltet. 674 Menschen aus Wuppertal und der Umgebung ließen sich damals unter dem Titel „Different Faces – Different Views“ auf dem Hof des historischen Weinkontors fotografieren. Zum Engels-Jahr 2021 holte sie JR’s Inside Out Project wieder nach Wuppertal. Dieses Mal wurde die Frontfassade des Engels-Hauses mit einem Mosaik aus Porträts umgestaltet. Und das nächste Projekt steht bereits in den Startlöchern.
Es ist der Tänzerin und Choreografin Pina Bausch gewidmet. Geplant ist eine urbane Galerie mit dem Titel „Wuppertal tanzt“. „Pina wollte das Gefühl einer Stadt und die Atmosphäre aufsaugen und diese in Bewegung transformieren. Hierfür fuhr sie in ausgewählte Städte, um es dann in Wuppertal choreografisch in Tanz zu wandeln.“ Valentina Manojlov möchte diese Idee umkehren und Künstler aus diesen Städten nach Wuppertal holen. Insgesamt sollen so zehn neue Wandbilder mit Tanzmotiven realisiert werden. Keine einfache Aufgabe. Aber: „Ich bin noch lange nicht am Limit“, sagt Valentina Manojlov. Gut so.
Text: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp