Pausenlos

Die Lehrer Kristijan Zrinski und Hildegard Harwix sitzen auf dem Lehrerpult vor der Tafel

In der Schule werden aus Kindern Erwachsene und aus Lehrern Zukunftsgestalter. Ein Gespräch über Motivation, den Wandel im Klassenraum und kaltes Wasser.

Er ist 33 und als Klassenlehrer einer 1. Klasse an der Wuppertaler Grundschule Kruppstraße tätig. Sie ist 56 und Schulleiterin am Gymnasium Sedanstraße. Beide wollen den Schülerinnen und Schülern den bestmöglichen Start ermöglichen. Für unser Gespräch mit Kristijan Zrinski und Hildegard Harwix wurden wir ins Büro der Direktorin zitiert.

Ihr Werdegang im Schnelldurchlauf?
Harwix: Ich habe mein erstes Staatsexamen in den Fächern Kunst und Biologie in Münster absolviert und war dann erst einmal freischaffend als Künstlerin und Kunstvermittlerin tätig. Danach ging es bis 1999 ins Referendariat und anschließend direkt in die Festanstellung an einem Gymnasium in Herne. 2006 bin ich nach Wuppertal gewechselt, 2017 habe ich die Schulleitung übernommen.

Zrinski: Nach dem Abi war mir schnell klar, dass ich im Grundschullehramt arbeiten möchte. Leider hatte ich nicht den passenden NC. Letztlich hat es dann aber doch geklappt, über einen Umweg und Zwischenstationen in Trier und Koblenz. Nach dem Referendariat bin ich zur Grundschule Kruppstraße gewechselt und musste sehr kurzfristig eine eigene Klasse übernehmen – der klassische Sprung ins kalte Wasser. Inzwischen habe ich meine erste eigene Klasse bis zum Ende begleitet.

„Über Schule kann ja jeder etwas sagen, das ist wie beim Fußball. Jeder hat eine andere Schulzeit, eine andere Schule erlebt.“

Hildegard Harwix

Was waren prägende Erlebnisse in Ihrer Laufbahn?
Harwix: Ich kann mich noch sehr gut an die erste Stunde nach der bestandenen Prüfung erinnern. Ich wurde direkt zu einer Vertretungsstelle abgeordnet, zur Gesamtschule Barmen. Es war ein tolles Gefühl, die Tür des Klassenzimmers zu schließen und zu denken: Jetzt habe ich es geschafft, dafür hat sich die Anstrengung gelohnt.

Zrinski: Während meiner Zeit im Referendariat hatte ich an einem Punkt das Gefühl, es nicht zu schaffen. Ich wollte abbrechen, habe dann aber so viel Zuspruch von allen Seiten erfahren, dass sich meine Meinung um 180 Grad gedreht hat. Das hat sehr gutgetan.

Warum diese Schulart?
Harwix: Für mich war von Anfang an klar, dass ich mit Jugendlichen arbeiten möchte. Dieser Altersbereich ist für mich der spannendste, da passiert unglaublich viel. Die kommen bei uns als ganz Kleine an und dann geht auf einmal alles wahnsinnig schnell. Auch dieses schräge Denken in dem Alter finde ich spannend. Es gibt so viele Wendungen und Sprünge, auch Rückschläge, und am Ende holen sie sich doch das Abitur.

Zrinski: Die Kinder im Grundschulalter sind für mich das Größte. Jeder Tag ist anders. Es gibt unheimlich viele schöne und witzige Momente. Und es ist auch egal, ob es jetzt alles super funktioniert oder nicht. Wenn man dabei ist, wenn es das erste Mal klick macht, das sind wirklich tolle Erlebnisse, für die es sich lohnt, Lehrer zu sein.

Was macht einen guten Lehrer aus?
Harwix: Ein echtes und ehrliches Interesse an den Kindern – mit allen Höhen und Tiefen und allen persönlichen Päckchen, die jeder zu tragen hat. Es ist auch wichtig, Spaß und Interesse an den eigenen Fächern zu haben. Man muss schon alles wollen: den Menschen und das Fach. Man muss auch an die Potenziale der Kinder glauben und diese gemeinsam ausschöpfen.

Zrinski: Ehrlichkeit ist sehr wichtig. Die Kinder – und auch die Eltern – merken, wenn man nicht mit Herzblut dabei ist und nur eine Rolle spielt. Die Kinder brauchen jemanden, der weiß, was er tut. Dazu gehört auch konsequentes Handeln.

„Es liegt in der Natur des Menschen, sich zu vergleichen, das machen auch schon die ganz Kleinen.“

Kristijan Zrinski

Haben Sie mit Vorurteilen zu tun?
Harwix: Über Schule kann ja jeder etwas sagen, das ist wie beim Fußball. Jeder hat eine andere Schulzeit, eine andere Schule erlebt. Aber: Es hat sich schon sehr verändert. Heute ist der Schulalltag vielfältiger, differenzierter. Da ist es schon etwas ärgerlich, wenn jede Generation meint, sagen zu können, wie es sein müsste.

Zrinski: Es ist schon herausfordernd, womit man sich alles beschäftigt. Wir sind nicht nur Lehrer, sondern zum Beispiel auch Psychologen. Die ganzen Termine und Aufgaben, die sich abseits des Unterrichts abspielen, sehen viele Menschen gar nicht.

Harwix: Die Verwaltungsaufgaben werden immer mehr. Das wird einfach zu wenig wahrgenommen in
der Öffentlichkeit. Aus meiner Sicht fehlt es da immer noch an Wertschätzung. Auch wenn sich das Bild aktuell etwas wandelt.

Welchen Stellenwert hat das Team?
Zrinski: Ohne die Kolleginnen und Kollegen geht es nicht. Da gibt es so viel Input. Man lernt immer wieder etwas dazu, von erfahrenen Kollegen, aber auch von jungen Studierenden, die ihr Praxissemester absolvieren.

Harwix: Bei uns geht auch gar nichts ohne Teamwork. Der Lehrerberuf ist schon lange kein Einzelkämpfer-Job mehr. Dabei geht es nicht nur um die Fächer, sondern das ganze Drumherum wie Prüfungsplanung, Digitalisierung, Beratung und so weiter.

Wie wichtig sind Noten?
Harwix: Am Ende gibt es natürlich ein Zeugnis mit Noten, aber was sagt das über den Menschen aus, der sich vielleicht irgendwo bewirbt? Das ist immer nur eine Momentaufnahme. Ich finde, es müsste heute viel mehr auf die Potenziale geschaut werden. Natürlich braucht man irgendeine Form der Vergleichbarkeit, aber die Definition über die Noten war schon immer schwierig. Ich finde es wichtig, dass die Schüler lernen: Auch wenn das Abiturzeugnis jetzt nicht dem gewünschten Numerus Clausus entspricht, das bleibt nicht das ganze Leben so.

Zrinski: Es liegt natürlich in der Natur des Menschen, sich zu vergleichen, das machen auch schon die ganz Kleinen. Aber ja, ist es ein Stück weit unfair. Ich war auch heilfroh, als mein Hochschulzeugnis mein Abitur abgelöst hat und als dieses dann später durch die Referendar-Beurteilung ersetzt wurde.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Harwix: Dass Bildung mehr zum Hauptthema im Diskus wird – angefangen beim Kindergarten. Und dass Schule sich darauf ausrichtet, welche Kompetenzen, Haltungen und Werte wir Menschen für unsere Gesellschaft vermitteln. Wir sollten uns mehr auf die Zukunftsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler konzentrieren.

Zrinski: Bildung ist natürlich ein komplexes Thema. Zum Beispiel auch das große Feld der Bildungsgerechtigkeit. Da gibt es keine vorgefertigten Erfolgsrezepte.

Vielen Dank für das Gespräch!

Interviewer: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp


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