Wer sind die? Wer sind wir? Die ständige Spaltung in die und wir erschwert den gegenseitigen Austausch. Wie wollen wir die Zukunft gemeinsam gestalten, wenn es keinen Dialog gibt? Es wird Zeit, neue Brücken zu schlagen. Nur keine Angst.
Schwindelerregend. Das ist das erste Wort, was mir einfällt, als ich vom Brückenpark aus in die Höhe blicke. Dabei kann man von hier unten nur erahnen, welche Emotionen einen ereilen, während man die Stufen bis zum Scheitelpunkt der Müngstener Brücke erklimmt. Als potenzieller Höhenangst-Kandidat befürchte ich, dass es nicht nur Glückgefühle sein werden. Ermöglicht wird dieser Tripp zur Angstbewältigung von Søren Walla und Gottfried Engendahl. Die beiden haben mit dem Brückensteig ein bergisches Mammutprojekt auf die Beine gestellt, das noch die nächsten Jahrzehnte bestehen und kontinuierlich Besucher:innen aller Altersklassen an die Wupper locken wird. Ein voller Erfolg, aber der Weg dorthin war mindestens so emotional wie der bevorstehende Aufstieg für mich. Aber dazu später mehr.
Es soll in diesem Artikel eigentlich gar nicht um die Müngstener Brücke gehen. Auch nicht um eine andere Brücke, die möglicherweise, vielleicht in einigen Jahren die Wupper überqueren und zwei grüne Höhen verbinden wird. Nein. Unser Thema ist das Brückenbauen in seiner ganz und gar immateriellen Form, nämlich von einer Generation in eine andere. Oder durch soziale Schichten hindurch. Oder von einem Geschlecht zum anderen. Kurz, es geht um die Brücke als Sinnbild für den zwischenmenschlichen Austausch. In den letzten Jahren – und angeheizt von diversen Krisen wie Corona, Klimawandel und Co. – wurden diesbezüglich eher Mauern gebaut. Das Ergebnis: Unverständnis und gegenseitige Ablehnung. Ist das unsere Zukunft?
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In Zeiten angeblich sozialer Medien und den allseits beliebten Filterblasen, in denen wir tagtäglich gefangen sind, scheint es unmöglich geworden zu sein, Brücken zu bauen. Radikales Schwarzweißdenken bestimmt den nicht vorhandenen Diskurs. Recht haben wird zum Heiligen Gral, um den man kämpft, bis einer aufgibt. Viele Dinge, die in erster Linie von der jungen Generation ausgehen – man denke an Klimaaktivismus, vegane Milchalternativen, Genderthemen, veränderte Ansprüche an das Arbeitsleben oder boomende TikTok-Trends – scheinen von der „Erwachsenen-Generation“ abgelehnt, belächelt und geradezu verspottet zu werden. Ob Babyboomer, Generation X, Y oder Z – die Kommunikationskanäle sind offenbar verstopft. Nichts dringt mehr durch. Das war doch schon immer schon so, tönt es oft aus den älteren Semestern. Das Problem heute ist, mit einem sturen „Weiter so“ bekommen wir bald große Probleme in vielen Bereichen. Wir brauchen dringend Veränderungen, neue Ideen und generationenübergreifende Kooperationen. Heute mehr denn je.
Wenn man mal genau hinschaut, gibt es durchaus Bemühungen, diese Blockaden zu durchbrechen und neue Wege zu gehen, um den Austausch in Schwung zu bringen. Der Wuppertaler Christoph Nieder ist einer der Menschen, die sich für ein Mehr an Teilhabe und das Widerlegen bekannter Weisheiten einsetzt. Als Geschäftsführer der proviel GmbH und des forum e. V. kämpft er seit 2011 an vielen Fronten gleichzeitig. Unermüdlich kommunizieren der 52-Jährige und sein Team mit Akteuren aus der Politik, mit Arbeitgebern, dem Jobcenter und vielen anderen Entscheidern. Seine Vision heißt Inklusion: „Wir wollen psychisch kranken Menschen die Teilhabe am Arbeitsleben und – da wo möglich und sinnvoll – die die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglichen.“ Man könnte auch sagen, Nieder will eine Brücke in den Arbeitsmarkt bauen. Der als Schwebebahnwagen gestaltete Durchgang vom alten in das neue Gebäude am Stammsitz in Elberfeld ist dafür ein schönes Symbol.
Wenn jeder Mensch am Arbeitsleben teilhaben kann, dann ist eine Stadt für mich lebenswert.
Christoph Nieder
Durch den branchenübergreifenden Fachkräftemangel sei man hier und da zwar etwas offener geworden, aber das Grundproblem bleibt. „Freie Stellen in den Unternehmen sind oftmals linear ausgeschrieben“, so Nieder. „Man schaut, was für Skills gerade gebraucht werden, und sucht nach Menschen, die in diese Schablone passen.“ Bei proviel – was sich übrigens von pro Vielfalt ableitet – geht man grob gesagt in die andere Richtung. Erst einmal wird geguckt, was an Potenzial vorhanden ist. Es geht darum, herauszufinden, welche Aufgaben der einzelne Mensch trotz Handicap erledigen kann. Das geht nicht im Schnelldurchgang, sondern nur mit Geduld. Dabei gilt es, sowohl eine Überforderung als auch eine Unterforderung zu vermeiden. Nicht der Job steht im Vordergrund, sondern zuerst der Mensch mit seinen Interessen, Fähigkeiten und Talenten.
„Wenn jeder Mensch am Arbeitsleben teilhaben kann, dann ist eine Stadt für mich lebenswert. Dann baut sie genug Brücken und ist inklusiv.“ Mit dem neuen Wuppertaler PIKSL-Labor in der Hofaue, will Nieder zukünftig noch eine weitere Brücke schlagen. Es geht um die Bereiche Digitalisierung und Medienkompetenz. Das Angebot ist bewusst niederschwellig gehalten und soll Teilhabe über die heute viel genutzten digitalen Kanäle ermöglichen. Die bereits in vielen deutschen Städten ansässigen Labore sind offene Orte, an denen Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam ihre Medienkompetenz verbessern. Dies geschieht in einem barrierearmen und multifunktionalen Umfeld. Das neue PIKSL-Labor wird in Trägerschaft des forum e. V. und in enger Zusammenarbeit mit der proviel GmbH realisiert. Noch im Sommer 2023 soll es an den Start gehen. „Wir haben auf Anhieb zwölf Menschen hier im Haus gefunden, die sich mit ihren Digitalkenntnissen dort einbringen können“, so Nieder. Einen festgelegten Fahrplan für das neue Projekt gebe es bislang aber nicht. Das ist auch gar nicht gewollt. „Gerade in Sozialunternehmen ist es wichtig, das Tempo anzupassen. Der Organismus hier darf ruhig langsamer sein, man darf nur das Ziel nicht aus den Augen verlieren“, sagt Christoph Nieder.
Dranbleiben
Ein guter Ratschlag. Auch wenn man die mit 107 Metern höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands hochmarschieren will, ist es sinnvoll, das Ziel fest im Blick zu behalten. Soll heißen: Wenn man nicht nach unten schaut, ist alles halb so schlimm. Der erste Treppenabschnitt des Brückensteigs ist ziemlich steil und man befindet sich ruckzuck auf einer Höhe, die bei mir ein leichtes Schwindelgefühl auslöst. Es hilft, dass man sich in regelmäßigen Abständen darauf konzentrieren muss, den Sicherungshaken am Stahlseil entlangzuführen. Stück für Stück gehe ich meinem Ziel entgegen, während die beiden Gründer Søren Walla und Gottfried Engendahl einige Meter weiter vorne die Stufen erklimmen und gut gelaunt herumalbern. Sie haben allen Grund zur Freude. Ihr Projekt Brückensteig ist ein voller Erfolg geworden. Die Touren sind regelmäßig ausgebucht. 12 Stück mit je 15 Teilnehmer:innen gibt es pro Wochenendtag. Dass die beiden Unternehmer heute so entspannt die Stufen der Brücke hinauflaufen können, haben sie sich mit einem langen Atem und einer großen Portion Hartnäckigkeit erarbeitet. Søren Walla meint, es habe auch geholfen, dass man etwas blauäugig und naiv an die Sache rangegangen sei. 12 Jahre lang haben die beiden für ihre Idee gekämpft und in dieser Zeit etliche Hürden genommen. „In den ersten zehn Jahren hatten wir fast keine Unterstützer“, erinnert sich Gottfried Engendahl. Einer der vielleicht wichtigsten Mitstreiter für ihre Vision war Hans-Günther Gewehr, der als Chefingenieur der DB Netz AG für die Sanierung der Eisenbahnbrücke verantwortlich war. Ohne ihn wäre der heutige Aufstieg wohl nicht möglich.
Freudentränen
Das Projekt Brückensteig ist während der Entstehung selbst zu einer Brücke geworden. Besser gesagt: zu einem Netzwerk aus vielen Brücken. Zwischen den Städten im Bergischen, zwischen den Menschen aus Verwaltung und Politik und zwischen der Deutschen Bahn, die als Eigentümer der wichtigste Partner bei der Realisierung war. Unzählige Menschen in entscheidenden Positionen waren an der Umsetzung beteiligt, mussten überzeugt werden. „Behörden mögen keine Präzedenzfälle, sondern bevorzugen vorgefertigte Lösungen. Die hatten wir natürlich nicht, also mussten wir kreativ werden.“ Immer wieder zogen die Gründer Expert:innen aus vielen verschiedenen Gebieten hinzu. In vielen Themen sind die Brückensteig-Macher inzwischen selbst zu Experten geworden. Natürlich gab es auch schöne, ergreifende Momente, erinnert sich Søren Walla. Zum Beispiel als es Ende 2019 endlich das offizielle Go von der Deutschen Bahn gab, die ihre Unterstützung bei der Umsetzung zusicherte. „Auf dem Rückweg kamen mir im Auto die Freudentränen“, so Walla.
Von all diesen Strapazen bis zur Vollendung merken die Teilnehmenden heute nichts mehr. Der Brückensteig ist ein bundesweit gebuchtes Event und lässt das frisch sanierte Denkmal aus Stahl sowie den Brückenpark in einem neuen Licht erstrahlen. Regelmäßige Pressebesuche gehören ebenso dazu wie das inzwischen übliche Bild von jungen und älteren Menschen, die sich am Wochenende mit Kletterausrüstung gewappnet durch den Park in Richtung Brückenpfeiler bewegen. Die jungen Gründer – Søren Walla ist 43 und sein Kompagnon Gottfried Engendahl 36 – haben ihr Ziel erreicht und blicken nun weiter in die Zukunft. „Es gibt europaweit viele Brücken, die sich ebenfalls für so ein Projekt eignen würden“, sagt Walla. Außerdem sind die beiden Unternehmer brennende Fans der geplanten Bundesgartenschau in Wuppertal. Als Brückenexperten interessieren sie sich natürlich für die geplante Hängebrücke, denken aber auch über einen Shuttle-Service zum Brückenpark nach. „Wir freuen uns riesig auf die BUGA“, so Engendahl.
Seit 2012 gibt es Bemühungen, die Müngstener Brücke als Welterbe anerkennen zu lassen. Heute ist sie Teil einer europäischen Gemeinschaft, denn die Bewerbung erfolgt seit 2021 zusammen im Verbund mit sechs weiteren Bauwerken in Frankreich, Italien, Portugal und Deutschland. Alle diese Groß-bogenbrücken wurden im 19. Jahrhundert gebaut und sollen als serielles, transnationales UNESCO-Welterbe eingetragen werden. Das wäre eine echte Sensation für das Städtedreieck. Der Weg ist bereits geebnet, wir müssen uns nur trauen, ihn zu gehen.
Rundumblick
Mein ganz persönlicher Weg ist auch schon vorgegeben. Es geht ganz nach oben. Aufgeben ist keine Option. Allmählich nähern wir uns dem höchsten Punkt der Reise. Die Treppe ist jetzt wesentlich breiter und die Stufen flacher. Ein komfortabler Aufstieg mit genau der richtigen Portion Nervenkitzel. Ich habe mich zwar immer noch nicht an die Höhe gewöhnt, fühle mich aber durch die Befestigung per Karabiner sehr sicher. Der Ausblick ist atemberaubend. Unglaublich, wie grün die Landschaft rund um den Brückenpark ist. Die rauschende Wupper in der Tiefe und die massive Stahlkonstruktion, die man aus nächster Nähe mit Ehrfurcht begutachten kann. Eine hautnahe Begegnung mit der Ingenieurskunst der Erbauer, die ihr Meisterwerk vor über 125 Jahren in diese Landschaft stellten. Insgesamt 950.000 tennisballgroße Niete halten das Stahlkonstrukt zusammen, das Gesamtgewicht beträgt 5.000 Tonnen. Der Gedanke an diese schiere Masse vermittelt ein Gefühl von Sicherheit. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen, die hier seinerzeit mit viel Mut und Schweiß ein Bauwerk erschaffen haben, das heute auf viele Arten Generationen verbindet.
Apropos: Wenn man die Suchmaschine des Vertrauens mit den Schlagwörtern Generationen und Kommunikation auf die Reise schickt, dann stößt man schnell auf Begriffe wie Zielgruppenanalyse oder Fachkräftemangel. Ziemlich weit vorne sind auch diverse Ratgeberartikel, die verzweifelten Arbeitgebern die richtigen Werkzeuge an die Hand geben möchten, um junge Mitarbeiter:innen adäquat anzusprechen. Sind junge Menschen von einem anderen Stern? Gerne wird die Zuordnung bestimmter Geburtsjahre zu den passenden Generationenbezeichnungen thematisiert. Wie kommuniziere ich mit meinem Gegenüber, wenn er oder sie als Millennial eine vermeintlich kurze Aufmerksamkeitsspanne hat? Perspektivwechsel ist das oft genannte Zauberwort. Auf die Bedürfnisse eingehen, Informationen entsprechend aufbereiten und Rücksicht nehmen. Klingt ein bisschen so, als wenn es einfach nur darum geht, sich gegenseitig ernst zu nehmen. Warum fällt uns das eigentlich so schwer?
Wir wollen keine neue Realität schaffen, sondern gemeinsame Erlebnisse, über die man sich austauschen kann.
Yuliya Sobol
Wenn es nach dem Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick geht, dann liegt das an der sogenannten komplementären Kommunikation. Dabei stehen sich Individuen gegenüber, die gewissermaßen nicht auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Ein beliebtes Beispiel dafür ist das Gespräch zwischen Schüler und Lehrer oder zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter oder eben zwischen Menschen aus zwei Generationen. Bei all diesen Kombinationen unterstellt man einen Wissens- oder zumindest einen Erfahrungsvorsprung auf der einen Seite. Die Kommunikation ist im Ungleichgewicht.
Digitalbrücken
Etwas ganz Ähnliches passiert, wenn Menschen über Distanz miteinander kommunizieren wollen, die technisch nicht auf dem gleichen Stand sind. Für die digitale Generation ist der gegenseitige Austausch von Erlebnissen und Erfahrungen keine große Sache. Ein Foto auf Snapchat, ein Livestream auf Twitch, eine Sprachnachricht per WhatsApp – alles lässt sich mit einem Klick teilen und gemeinsam erleben. Aber was ist mit jenen Menschen, die aufgrund ihres Alters und eventuell körperlichen Einschränkungen nicht am schönen digitalen Leben teilhaben können? Wie bekommt man es hin, den Kontakt zwischen Oma und Enkel herzustellen, zu festigen? Oder sogar durch Technik neue gemeinsame Erfahrungen zu generieren? Gerade im hohen Alter nimmt die soziale Teilhabe nachweislich ab. Das kann zu Einsamkeit führen und krank machen.
Diesen Fragen geht Professor Fabian Hemmert von der Abteilung Industrial Design an der Bergischen Uni nach. Der 41-Jährige ist selbst leidenschaftlicher Gamer und teilt dieses Hobby am liebsten bei einer Runde Mario Kart mit seiner fünfjährigen Tochter. Interaktion, die Freude macht, das spielt auch bei dem aktuellen BMBF-Forschungsprojekt mit dem Titel ZEIT eine Rolle. Im Fokus der Forschenden steht die Integration von Virtual-Reality-Systemen, mit deren Hilfe eine Brücke zwischen den Generationen geschlagen werden soll. „Wir wollen keine neue Realität schaffen, sondern gemeinsame Erlebnisse, über die man sich austauschen kann“, sagt Yuliya Sobol (B. A. Industrial Design), die als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit an Bord ist.
Eine von den Forschenden durchgeführte Umfrage unter Enkelkindern hat ergeben, dass der häufigste Grund für den Kontakt mit den Großeltern deren technische Probleme sind. Kein Wunder in einer durch und durch digitalisierten Welt. Smartphone, Tablet und Co. sind für viele ältere Menschen eine unüberwindbare Hürde. Das Team hat in den letzten zwei Jahren deshalb Ideen entwickelt, die allesamt die Bedürfnisse und technischen Fähigkeiten der Senioren im Blick haben. So verzichten die Industriedesigner bewusst auf die Verwendung von Touch-Screens. Wie geht das? Ein Beispiel dafür ist die „Murmelbahn“ der Studentin Katharina Jansen.
Die Idee: ein eigenes Gerät für audiovisuelle Nachrichten. Wenn eine neue Nachricht eintrifft – beispielsweise ein Urlaubsvideo vom Enkelsohn – gibt das Gerät eine Kugel aus. Diese wird in eine spezielle Halterung eingelegt und das gesendete Material wird über die beiliegende VR-Brilleabgespielt. Durch eine Drehung der Murmel lässt sich ein Emoji auswählen, das bei der Ablage in einer zweiten Öffnung abgeschickt wird. „Ältere Menschen benutzen das, was sie kennen“, erklärt Fabian Hemmert die Verknüpfung mit der analogen Welt.
Behörden mögen keine Präzedenzfälle, sondern bevorzugen vorgefertigte Lösungen.
Søren Walla
Die Bedienung mit den Murmeln soll an Kindheitserfahrungen anknüpfen und den Zugang so einfach wie möglich gestalten. Das Teilen der Erlebnisse bietet darüber hinaus Anknüpfungspunkte für die Kommunikation. „Viele Senioren blicken so oft in die Vergangenheit, weil sie einfach nichts Neues mehr erleben“, ergänzt Yuliya Sobol. Mithilfe technischer Brücken sollen gemeinsame Erlebnisse auch über eine räumliche Distanz hinweg ermöglicht werden.
Next Level
Noch spielerischer geht Fabian Stackmann mit dem Thema um. Bei seinem Projekt mit dem Titel „Level“ handelt es sich um eine Art Gamepad für die Steuerung diverser Anwendungen, die ebenfalls über eine VR-Brille übertragen werden. Denkbar ist damit beispielsweise ein gemeinsamer Museumsbesuch, der durch interaktive Nutzung zu einem reellen Erlebnis wird. Der Clou hierbei ist der modulare Aufbau des Gamepads. Zunächst bietet dieses nur einen einfachen Button, im zweiten Schritt kann ein zusätzliches Steuerelement ergänzt werden und so weiter. Dadurch wird die Nutzbarkeit über die Zeit immer weiter ausgebaut. Jeder Baustein schafft neue Möglichkeiten und hebt die Bedienung auf ein neues Level. „Es geht uns nicht darum, ein neues Medium zum Konsumieren zu schaffen. Wir wollen wischenmenschliche Verbindungen festigen und den Austausch ermöglichen“, so Hemmert. Ein besonderes Augenmerk müsse man bei der weiteren Entwicklung allerdings auch auf die Themen Ethik, Datenschutz und Suchtprävention legen.
Das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt läuft noch bis Sommer 2024. Als nächstes will Professor Hemmert in Kooperation mit dem Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen an der virtuellen Spürbarkeit arbeiten. Zu diesem Zweck sollen zum Beispiel sensorische Kissen zum Einsatz kommen, die Berührungen trotz räumlicher Trennung erlebbar machen.
Weitere Partner des Forschungsprojekts sind das OFFIS-Institut für Informatik aus Oldenburg, die Visseiro GmbH aus Berlin und die AWO Wohnen und Pflegen Weser-Ems GmbH. Gefördert wird das ZEIT-Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Es bleibt abzuwarten, wie und wann wir es schaffen, mithilfe von neuen technischen Tools eine digitale Brücke zur Generation unserer Großeltern zu bauen. Bis es so weit ist, können wir zumindest eine Erkenntnis aus diesen Ideen mitnehmen: Gemeinsame Erlebnisse sind eine wichtige Ressource im generationenübergreifenden Diskurs. Sei es im digitalen oder im analogen Raum. Um den Kontakt herzustellen und aufrechtzuerhalten müssen neue Berührungspunkte geschaffen werden. Je vielfältiger, desto besser. Und die Belohnung am Ende dieses Weges wird eine Zukunft sein, die wir gemeinsam gestalten. Mit diesem Ziel vor Augen kann man vielleicht auch über die eine oder andere Verschiedenheit hinwegsehen.
Mein persönliches Ziel, die Besteigung der Müngstener Brücke, habe ich an diesem Tag erreicht. Mit der Ankunft auf der obersten Plattform ist jegliche Angst verschwunden. Was bleibt ist nur das Staunen über den sagenhaften Rundumblick. Und ein kleines bisschen der Stolz, dieses Abenteuer gewagt zu haben.
Autor: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp