Das Circular Valley ist für die Kreislaufwirtschaft das, was das Silicon Valley für die Digitalisierung ist: Seit 2021 lockte es 75 Start-ups nach Wuppertal. Initiator Carsten Gerhardt blickt zurück – und nach vorn.
Die Entstehung der Initiative Circular Valley vergleicht Initiator Dr. Carsten Gerhardt gern mit dem Beginn der Nordbahntrasse: „Die Basis – Strecke, Tunnel, Schienensperrung – geht auf unsere Vorfahren zurück. Wir haben dem Ganzen nur neues Leben eingehaucht. Auch beim Circular Valley sind Akteure, Labore und Industrieanlagen schon da. Wir fügen alles stärker zusammen, wecken sozusagen die schlafenden Riesen.“ Die Rhein-Ruhr-Metropole eigne sich dafür wie keine andere, sagt Gerhardt, Vorstand der Circular Valley Stiftung. „Die Region hat gewaltiges Potenzial. Wir sind unglaublich international. Jeder Mensch kann hier Anschluss finden.“ Möglichst viele in die Region zu holen, um dort sowie außerhalb eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zu etablieren, ist erklärtes Ziel der Initiative. Die Fäden laufen in Wuppertal zusammen, weil die Stadt im Zentrum des dynamischsten Wirtschaftsstandorts Europas liegt, mit 70 Hochschulen und Forschungseinrichtungen und 20 Millionen Einwohnern im Umkreis von weniger als zwei Autostunden. „Nirgendwo sonst finden mehr als 300 Weltmarktführer in unmittelbarer Nähe zueinander. Viele haben schon wichtige Erfahrungen im Bereich der zirkulären Wertschöpfung gemacht“, schildert Gerhardt.
Es gibt nicht entweder Wirtschaftlichkeit oder Umweltschutz – es gibt wirtschaftlichen Umweltschutz.
Carsten Gerhardt
In Teams zu mehr Nachhaltigkeit
Und die sollen Kreise ziehen. Der Gaskessel Heckinghausen als „Maschinenraum“ für neue Ideen ist bewusst gewählt: 1863 war er Standort der Bayer-Gründung und Ursprung der linearen Wirtschaft. „Das Circular Valley hat in Sachen Kreislaufwirtschaft die gleiche Funktion wie das Silicon Valley für die digitale Wirtschaft“, sagt Gerhardt. „Handelnde und Impulsgebende vernetzen und ihnen eine Plattform bieten, um das Thema zusammen weiterzudenken und Projekte zu realisieren.“ Seit Sommer 2021 lockten die „Demo Days“ 75 Start-ups aus aller Welt. 80 Prozent von ihnen stünden in effizientem Dialog mit regionalen Unternehmen, knapp zwei Dutzend würden von Letztgenannten gefördert. „Das geht von einigen Tausend bis zu mehreren Millionen Euro“, sagt Gerhardt und nennt Unterstützer wie BASF, Bayer, Evonik und Schneider Elektrik. Ebenso wichtig sei die Beratung und Begleitung seitens wissenschaftlicher Expertinnen und Experten. „Wir bringen viele Stakeholder zusammen. Hinter uns stehen Partner unter anderem aus Zivilgesellschaft, Kirche und DGB. Zu sehen, wie Menschen aus Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft miteinander über ein Thema ins Gespräch kommen, dem wir alle verpflichtet sind, treibt uns wahnsinnig an.“
Zukunftsprobleme vermeiden
Was wünscht sich Gerhardt für die Zukunft? „Dass sich hier im Circular Valley schöne Pilotprojekte etablieren, in denen unterschiedliche Firmen entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, um Umwelteinträge massiv zu reduzieren. Dass Zusammenarbeit wirklich gelebt wird und für alle, die mitmachen, profitabel ist. Wir wollen zeigen: Es gibt nicht entweder Wirtschaftlichkeit oder Umweltschutz – es gibt wirtschaftlichen Umweltschutz.“ Gerhardt könne sich etwa vorstellen, dass Chemieunternehmen, Hersteller und Recycling-Spezialisten gemeinsam besonders gut zu entsorgendes Plastik entwickelten. „Es darf nicht bei Liebhaberei bleiben, so wie bei Kleidung und Schmuck aus Meeresplastik. Das löst nicht das Grundproblem: die Ozean-Verschmutzung.“ Es gelte nicht, Müll einen Sinn zu geben, sondern die Milliarden Tonnen Ströme pro Jahr zu vermeiden. „Unser großer Wunsch ist es, Zukunftsprobleme wie diese zügig zu vermeiden.“
Ein Epizentrum neuer Ideen
Die Protagonisten sind zuversichtlich: Mit dem Circular Valley verhalte es sich ähnlich wie mit dem CO2-Fußabdruck, sagt Gerhardt. „Die Problematik ist seit 30 Jahren bekannt, seit etwa vier Jahren passiert etwas, und dann kommt die große Welle. Das wird auch bei der Zirkularität so kommen.“ Wer an dieser guten Sache arbeiten wolle, sei im Bergischen als großem Circular-Valley-Baustein genau richtig. „Hier werden sich die Menschen bündeln und mit nachhaltigen Ideen in ihre Länder zurückkehren. Es wird wieder eine industrielle Revolution aus diesem Bereich ausgehen – wie vor 200 Jahren.“
Autorin: Tonia Sorrentino
Foto: Süleyman Kayaalp